Davon können wir nach nunmehr vier Jahren ein Lied singen… Nach unseren Erfahrungen sind diese 5 Punkte bei der Entbürokratisierung eines Dokumentationssystems besonders wichtig:
- Jedes Formular kritisch prüfen.
Wer sein Dokumentationssystem entbürokratisieren will, muss jedes Formular in die Hand nehmen und kritisch prüfen, ob und in welchem Umfang es (noch) benötigt wird. „Abspecken“, verwerfen, bewahren – alles ist möglich. Dabei sind Fingerspitzengefühl und Geduld gefragt, denn alle Befindlichkeiten müssen ernst genommen werden.
Praxisbeispiel: In der Pflege ist die Erfassung biographischer Daten unbedingt erforderlich, um eine individuelle Versorgung zu gewährleisten. So war die Sorge einiger Pflegekräfte nur allzu verständlich als wir vor mehreren Jahren beschlossen haben, uns vom vierseitigen Biographiebogen zu trennen, der zusätzlich zur x-seitigen Pflegeanamnese unseres Doku-Anbieters auszufüllen war. Also haben wir den Biographiebogen noch für 4 Wochen belassen, um in dieser Zeit aufzuzeigen, dass biografische Angaben zukünftig nicht verloren gehen, sondern in der Strukturierten Informationssammlung (SIS®) unserer neuen Doku sinnvoll im Kontext mit den einzelnen Themenfeldern abgebildet werden können.
- Doppeldokumentation vermeiden.
Entbürokratisieren heißt konsequent zu sein. Auch darin, Doppeldokumentationen zu vermeiden. Dabei kann man schon auf die eine oder andere Kuriosität treffen, die sich im Laufe der Jahre eingeschlichen hat.
Praxisbeispiel: In einer Pflegeeinrichtung gibt es mehrere Beteiligte im Aufnahmeprozess neuer Bewohner*innen (Pflegedienstleitung, Sozialdienst, Pflegekräfte des Wohnbereiches etc.). Dabei werden eine Reihe von Stammdaten erhoben, die für die Versorgung pflegebedürftiger Menschen notwendig sind. Da kommt es gar nicht so selten vor, dass Daten doppelt und dreifach erhoben werden und die Pflegekräfte des Wohnbereiches bereits erfasste Daten abschreiben, weil sie zu Beginn des pflegerischen Auftrags ein Stammblatt in der Pflegedokumentation anlegen müssen. Wenn man einmal durchschaut hat, wer im Aufnahmeprozess welche Daten erfasst, liegt es nahe, ein „Wander“-Stammblatt einzuführen, das in allen Schritten des Aufnahmeprozesses einfach mitläuft und von allen Beteiligten genutzt wird.
- Mutig ausprobieren, aber auch Bewährtes bewahren.
Wer sich von seiner „alten“ Pflegedokumentation trennt, muss den Mut haben, Neues auszuprobieren. Dennoch gibt es immer auch Elemente, die sich bewährt haben und die man in die neue Dokumentation integrieren kann.
Praxisbeispiel: Die Pflegeplanung des PSW enthielt unterstützende Elemente für die Prophylaxeplanung. Mit Implementierung des Strukturmodells wurde die Pflegeplanung durch die Maßnahmenplanung ersetzt, auch die Anteile zur Prophylaxeplanung entfielen somit. Da sie sich in der Vergangenheit aber als absolut nützlich erwiesen haben, wurde für die Pflegekräfte eine Arbeitshilfe für die neue Maßnahmenplanung entwickelt, in der u.a. die bereits bekannten Inhalte der ehemaligen Prophylaxeplanung untergebracht wurden.
- Interne Regelungen anpassen.
Wer entbürokratisiert, muss sich auch mit den Regelungen hinter den Formularen befassen, denn auch diese haben zum Dokumentationsaufwand beigetragen, so wie die Formulare selbst.
Praxisbeispiel: Wenn Berichte auf das Wesentliche konzentriert sein sollen, insbesondere auf Abweichungen vom Maßnahmenplan (aus den verschiedensten Gründen), dann müssen alle an der Pflegedokumentation Beteiligten lernen, von routinemäßigen Einträgen wegzukommen. Regelungen wie ein Eintrag pro Tag, pro Schicht oder ähnliches sind nicht zielführend. Was soll eine Pflegekraft ansonsten dokumentieren, wenn Bewohner*innen nachts schlafen? „Bewohner schlief.“ gehört im Hier und Heute nicht mehr in unser Berichteblatt, es sei denn, es handelt sich um ein außergewöhnliches Ereignis.
- Zuhören und die Ideen der Mitarbeiter*innen „einsammeln“.
Am Tisch lassen sich viele Dinge toll ausdenken. In der Praxis zeigt sich, wie gut die neue Pflegedokumentation wirklich ist. Deshalb ist es besonders in der Implementierungsphase wichtig, den Mitarbeiter*innen, die mit der Dokumentation arbeiten, gut zuzuhören, um zu erkennen, an welchen Stellen Schwierigkeiten auftreten oder ein anderer Weg vielleicht besser ist als der geplante.
Praxisbeispiel: Ein Element der Pflegedokumentation nach dem Strukturmodell ist der Maßnahmenplan. Nach vier Jahren Praxiserfahrungen können wir feststellen, dass unser heutiger Maßnahmenplan sich von dem ersten „Rohling“ deutlich unterscheidet. Insbesondere die Pflegekräfte haben die Weiterentwicklung maßgeblich beeinflusst und durch ihre Fragen und Ideen vorangetrieben.